Wider die Gedankenlosigkeit beim Gebrauch der Sprache

von Dieter Weirich *)

Sprache ist Politik – ein Werkzeug der Kommunikation und zur politischen Gestaltung. Doch im bundesdeutschen Kulturkampf herrscht ein babylonisches Sprachengewirr, von strengen „Gender-Protaganisten“, zumeist aus dem „woken“ und linksgrünen Milieu, bis hin zu den auf Beschwörungszauber hoffenden Verschwörern, die oft am rechten Rand angesiedelt sind. Sprache kann die Komplexität von Sachverhalten reduzieren, kann führen und verführen, ist daher entscheidend für den Erfolg politischer Botschaften und die Deutungshoheit von Parteien. Sie sollte in gutem Deutsch verbreitet und auf gut Deutsch gesagt werden.

Indes, ein gepflegtes „Denglisch“ der neuen deutschen Regierung unter Bundeskanzler Friedrich März (CDU) hat die Comic-Vorliebe vom ehemaligen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) abgelöst. Sprach der gescheiterte Regierungschef Deutschlands bei Investitions-Offensiven vom „Wumms“ oder gar vom „Doppel-Wumms“, so nennt der jetzige Regierungschef die Verstärkung von Wirtschaftsanstrengungen „Booster“. Er benutzt also einen Begriff, der sowohl Antrieb wie Auffrischungsimpfungen umschreibt. Früher hat das melodische „Es wird wieder in die Hände gespuckt“ den Bürgern eingängiger die wirtschaftliche Zukunft beschrieben.

Merz, dessen Englisch-Kenntnisse sogar von US-Präsident Donald Trump gerühmt werden, übt sich gerne in angloamerikanischer Semantik. So geht er bei wichtigen Fragen „all in“, setzt also alles auf eine Karte. Freilich erreicht der neue deutsche Kanzler mit seiner emotionalen, direkten und hin und wieder auch provokanten Art die Wähler eher als sein Vorgänger Olaf Scholz, der mit seiner roboterhaft vorgetragenen, verquasten Technokraten-Sprache wenig Spuren hinterlassen hat. Zwar hagelte es Stürme der Entrüstung gegen Begriffe wie „Paschas“, „Drecksarbeit“ oder „Zirkuszelt“ von Bundskanzler Merz, doch das Publikum scheint diese Sprache als Ausdruck von Authentizität mehrheitlich zu goutieren.

Wie einfältig und gedankenlos das „Denglische“ aber Einzug in die Sprachwelt von Bürokraten Einzug gehalten hat, zeigt die jüngste Berliner Abkürzung „StolperClean“. Sie beschreibt die Einladung zu einer Reinigungsaktion von Grabplatten, den „Stolpersteinen“ in der Hauptstadt.

„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache“, lernen wir vom Neu-Humanisten Wilhelm von Humboldt. Für ihn „schenken uns die Sprachen die Welt“. Und Geschenke sollte man meines Erachtens in Ehren halten.

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*) Der renommierte Medienexperte und Kommunikationsberater Dieter Weirich (CDU) war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst „als liberalkonservativen Streiter“ sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

Sprache ist Heimat

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