Von Robert Grünewald *

Oberbürgermeister-Wahlen sind in der Bundesstadt Bonn schon immer etwas Besonderes. Zum einen, weil Entscheidungen der Wähler hier wegen des besonderen Status‘ der Stadt oft auch eine bundespolitische Signalwirkung entfalten, zum anderen, weil es hier in der Stadt mit vielen Bundesbehörden und internationalen Organisationen keine klaren Stammwählerschaften mit Hochburg-Charakter gibt und Wahlen daraus ihre besondere Spannung beziehen. Aus der Kommunalwahl am 14. September ging die CDU als klarer Sieger hervor, sowohl bei der Ratswahl wie bei der OB-Wahl, die der CDU-Kandidat Guido Déus, CDU-Landtagsabgeordneter in Düsseldorf, mit fast 39 Prozent der Stimmen vor der amtierenden Oberbürgermeisterin Katja Dörner von den Grünen gewann, die nur gut 33 Prozent auf sich vereinigen konnte. Nun traten vor der Stichwahl am 28. September die beiden Erstplazierten zu einem Kandidaten-Duell an, das der Bonner Generalanzeiger veranstaltete, und zu dem er mit einem Livestream eingeladen hatte.

Der Verlauf eines solchen Duells ist immer auch abhängig von den Fragen des Moderators, schließlich gibt es für beide Kandidaten Gewinner- und Verliererthemen, also solche, bei denen sie gut performen, und solche, bei denen sie weniger gut aussehen. Daher war es zu erwarten, dass gleich das erste Thema, die Bonner Verkehrspolitik, den Herausforderer in die Offensive bringen würde. Er kritisierte zum wiederholten Male den Verkehrsversuch auf der Adenauer-Allee, mit dem die Prachtstraße der Bonnerinnen und Bonner zu einer einspurigen Straße mit allerdings überbreitem Fahrradweg herabgestuft wurde mit der Folge, dass der autoabhängige Verkehrsstau jetzt noch länger ist als vorher schon. Hinzu kommt der Wegfall vieler Park- und Autoabstellplätze nicht nur für Pendler und Handwerker, sondern auch für die Anwohner. Hier hat sich die regierende Ratskoalition aus Grünen, SPD und Linken mit ihrer OB keinen Gefallen getan, das war auch im Rededuell zwischen den beiden Kontrahenten zu spüren, das an dieser Stelle der Herausforderer klar für sich entscheiden konnte.

Auch beim Thema Wohnungsbau sahen die Zuschauer Déus wohl mehrheitlich als Sieger, da es ihm gelang, die Fehler der amtierenden Gegenseite mit der Aufhebung von bestehenden Planungen und der Folge, dass zu wenig gebaut wurde, deutlich zu machen.

Das Thema Klimaschutz ist erklärtermaßen das wichtigste Thema, dem sich die grüne OB verschrieben hat. Sie will die Bundesstadt Bonn bis 2035 klimaneutral machen, noch 15 Jahre früher als es die Europäische Union beschlossen hat. Dieser Ehrgeiz würde der Stadt rund 1 Mrd. Euro Mehrkosten aufbürden, Geld, das sie nicht hat und für das sie sich weiter verschulden müsste. Darauf hat der Herausforderer in seinem Wahlkampf immer wieder hingewiesen, weshalb er sich im Rededuell darauf beschränkte, dass auch hier die Stadt mit Blick auf den Photovoltaikausbau auf städtischen Gebäuden zu wenig getan hat. Da das Thema in der öffentlichen Meinung aber als wichtig gilt, dürfte dies der Oberbürgermeisterin von den Bürgern wohl nicht allzusehr angekreidet werden.

Beim Thema Verwaltung hat der CDU-Kandidat die Amtsinhaberin allerdings schon mehrfach hart attackiert, da es in Bonn, so sehen es auch viele Bürgerinnen und Bürger, mit dem Bürgerservice hapert. Er argumentiert, dass sich mit den vielen zusätzlichen Stellen, die OB und Rat beschlossen haben, nichts spürbar positiv verändert hat. Dörner reagierte hier heftig, weil ihr die zupackende Art und Weise nicht gefällt, wie ihr Herausforderer das Thema angeht, etwa auch mit Beschwerden und Anklagen wegen vorenthaltener oder unrichtiger Information des Rates durch die Stadt. In der Sache selbst hatte sie ihm nicht viel entgegen zu setzen, lediglich die Kritik an seiner Wahlkampf-Kommunikation bot ihr eine gewisse Angriffsfläche.

Rhetorik-Trainer verweisen bei solchen Gelegenheiten wie dem Bonner Rededuell gern darauf, dass beim Publikum nur ein Bruchteil des Gesagten, also der Inhalt, hängen bleibt, da die Aufmerksamkeit meist anderen Faktoren gilt. Es gibt Studien, die hier gerade mal 10 Prozent der Aufmerksamkeit messen, während Stimme und Wording 30 Prozent ausmachen und das Aussehen der Person sogar 60 Prozent der Aufmerksamkeit bindet. Letzterem hatten die beiden Kontrahenten Rechnung getragen, indem sie in schlichtem Outfit auftraten, was dazu beitrug, die Aufmerksamkeit nicht allzu sehr von den inhaltlichen Positionen abzuziehen, und beiden ermöglichte, den Fokus auf das gesprochene Wort zu lenken.

Allerdings konnte, wer den Redefluss der beiden Kandidaten verfolgte, feststellen, dass dem Herausforderer das meiste flüssig über die Lippen ging, dies auch deshalb, weil er als Kommunalpolitiker mit großer Detailkenntnis gilt, gerade, was die Bonner Probleme angeht. Das war bei der Amtsinhaberin anders. Man merkte ihr an, dass die fünf Amtsjahre schwierig waren, dass vieles, was sie sich vorgenommen hatte, nicht gelungen ist. Dies schlug sich auch in einem mangelhaften Wording nieder, sie rang mehrfach nach Worten und benutzte oft falsche Sprachbilder oder einfach falsche Begriffe.

Die direkte Wirkung solcher Rededuelle wie dem vorstehenden wird von den meisten Kommunikationsexperten als gering eingeschätzt. Als wichtiger gilt ihnen die Post-ex-facto-Kommunikation, also wie die Presse darüber schreibt und die Bürgerinnen und Bürger hinterher darüber reden. Auch wenn der Herausforderer das Duell wohl für sich entscheiden konnte, so gilt die Abstimmung bei der Stichwahl noch nicht als entschieden. Entscheidend wird sein, wem es gelingt, die 14.000 Stimmen, die der drittplazierte SPD-Kandidat erhalten hat, für sich zu gewinnen. Für diese Stimmen gab es keine Wahlempfehlung, so dass der Ausgang als offen zu bezeichnen ist, auch wenn es eine spürbare Stimmung in Bonn gibt, die lautet: Vorteil Déus.

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*)  Der Autor ist promovierter Politik- und Kommunikationswissenschaftler und nach langjähriger Tätigkeit bei der Konrad-Adenauer-Stiftung jetzt Geschäftsführer der GPK Gesellschaft für Politische Kommunikation in Bonn. Als zertifzierter Business Coach ist er mit Rhetorik-Schulungen für Kommunalpolitiker unterwegs.

Rede-Duell vor der Stichwahl um den OB-Posten in Bonn

Ein Gedanke zu „Rede-Duell vor der Stichwahl um den OB-Posten in Bonn

  • 29. September 2025 um 15:49 Uhr
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    Mir fehlt die Bürgernähe. Die strategische Herangehensweise finde ich machtpolitisch abgehoben. In Deus Auftreten vermisse ich m. E. Empathie für die Bonner Bürger. Schade, so können wir schlecht die politische Debattenkultur wesentlich verbessern. JL

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