Über den Verlust linker Deutungshoheit in der politischen Kommunikation
von Thomas Hoffbauer *
Die letzten Zuckungen der Identitätspolitik – eine Schmolltirade der taz. Greta Thunberg, einst Heilige der postfaktischen Erlösungsbewegung, steht nun auf der Abschussliste der taz, dem Zentralorgan der moralisch Unersättlichen, die selbst bei Regen noch die Welt retten wollen, während sie ihre veganen Energieriegel in Plastikfolie wickeln.
Jetzt ist sie plötzlich Antisemitin – oder zumindest „Hipster-Antisemitin“, was in etwa so klingt, als würde man jemandem attestieren, ironisch bei der Hamas mitzulaufen, weil’s grad im Trend liegt. Die taz – das war mal das letzte gallische Dorf des linken Intellekts. Heute ist sie ein schaumiges Mischwesen aus Doppelmoral, Sprachverzerrung und Selbstverachtung. Ihre Attacke auf Greta ist weniger eine Abrechnung mit Antisemitismus als vielmehr der letzte Versuch, die eigene Relevanz zu simulieren. Wer nicht mehr weiß, wofür er steht, schreit umso lauter, wogegen er ist.
Dass Greta Thunberg sich irgendwann im Kielwasser des antizionistischen Jugendmobs wiederfand, überrascht wenig. Sie hat sich schon lange vom Klima zur Klassenfrage gewendet, von der CO₂-Bilanz zur Palästina-Solidarität, von der Apokalypse zur Antifa. Man kann ihr das vorwerfen – oder sagen: Willkommen im Club derer, die merken, dass ihre Utopien am eigenen Absolutheitsanspruch ersticken.
Was aber die taz daraus macht, ist Realsatire: Sie schreibt von „schlechten Frisuren und Antisemitismus“, als wäre das die neue Jugendkultur. In ihrer Not, noch irgendeine linke Deutungshoheit zu behaupten, schlägt sie jetzt auf ihre eigene Ikone ein. Die einstige Jeanne d’Arc des Klimas wird zur schmuddeligen Schulschwänzerin im Antisemitismus-Trainingslager umetikettiert.
Was für ein Schauspiel! Die taz, die jahrzehntelang jeden Boykott gegen Israel als legitimen Protest feierte, erkennt nun den Antisemitismus in der eigenen Erziehungskolonne. Es ist wie im späten Politbüro: Man spürt, dass die Parolen nicht mehr wirken, also müssen Sündenböcke her – und Greta steht zufällig gerade im Weg.
Der Satz „Die Jugend wird durch von Erwachsenen verdorbene Ideale verführt“ ist dabei die bittere Wahrheit, die die taz aus Versehen zwischen den Zeilen schreibt. Denn was ist die politische Erziehung der letzten Jahre anderes gewesen als eine moralische Verwahrlosung im Gewand der Haltung? Dass ausgerechnet Greta jetzt als Projektionsfläche der Reue herhalten muss, ist perfide – aber konsequent. Wer Heilige macht, braucht irgendwann auch Märtyrer.
Die taz demontiert Greta Thunberg mit dem Eifer eines Sektenführers, der erkennt, dass seine Messiasfigur plötzlich eigene Gedanken hat. Es ist nicht Greta, die sich verändert hat – es ist das Publikum, das sich sattgesehen hat. Und wie bei jeder schlechten Revolution kommt zum Schluss die große Säuberung. Man darf sich schon auf den Tag freuen, an dem die taz ihre eigene Gründungsgeschichte als patriarchal, weiß und klimagasintensiv entlarvt – und sich endlich selbst abschafft.

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*) Dr. rer. pol. Thomas Hoffbauer war Wissenschaftler an der Universität Mannheim, Gründer und Inhaber eines Software-Unternehmens und lebt jetzt als freier Autor in Bamberg. Text teilweise mit KI.