Stärke/Schwäche-Indikatoren signalisieren eine knappe Entscheidung – von Robert Grünewald

Wenn am Wahlabend des 26. September um 18.00 die Balkendiagramme mit den Prozentanteilen der konkurrierenden Parteien auf den Bildschirmen der Fernsehanstalten aufscheinen, ist es noch lange nicht ausgemacht, wer die Wahl gewonnen hat. Geht man vom augenblicklichen Stand in den Umfragen aus, haben alle drei Kanzlerkandidaten gute Chancen, ins Kanzleramt einzuziehen. Mit Blick auf die Umfragen hat dabei Armin Laschet die besten Chancen, weil sich ihm zurzeit mehrere Koalitionsoptionen unter Führung der CDU/CSU anbieten. Kanzler werden könnte aber auch Olaf Scholz, nämlich als Anführer einer Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, etwa dann, wenn die SPD die Grünen bis zum Wahltag noch überholt, was nicht ausgeschlossen scheint. Und schließlich könnte auch Annalena Baerbock Bundeskanzlerin in einer Ampelkoalition werden, nämlich dann, wenn die Wahl so ausgeht, wie es manche Umfragen im Moment anzeigen.

Allerdings spielen mehrere Faktoren eine wichtige Rolle bei der Frage, wer am Wahlabend und danach die Nase vorne haben wird. Da ist zum einen das Image des Kandidaten oder der Kandidatin, zweitens die Beurteilung der Problemlösungskompetenz der Partei, für die sie antreten. Und drittens spielt eine wichtige Rolle die inhaltliche Schärfe des Wahlprogramms, mit dem die drei Kandidaten und ihre Parteien antreten. Alle drei Faktoren zusammen werden den Ausgang der Bundestagswahl 2021 entscheidend beeinflussen.

Interessanterweise unterscheiden sich die drei Kandidaten in diesen drei Punkten deutlich voneinander, so dass man meinen müsste, dass den Wählerinnen und Wählern die Entscheidung leicht fiele. Das ist allerdings mitnichten der Fall. Denn wie das nachfolgende – umfragengestützte – Indikatorendiagramm zeigt, erweist sich die Stärke des einen als Schwäche der anderen und umgekehrt:  Schaut man auf das Image der drei Kandidaten, so liegt nach den Umfragen zu urteilen Olaf Scholz klar vor seinen beiden Konkurrenten, am klarsten noch vor Annalena Baerbock, die mit ihren Lebenslaufangaben, den Buchplagiaten und ihrer Kommunikation hierzu sich selbst geschadet hat. Sie hat aber in punkto inhaltlicher Schärfe des Wahlprogramms einen klaren Vorteil gegenüber Scholz und Laschet, deren Parteien bei den Wahlprogrammen allenthalben profilhafte Ehrgeizlosigkeit bescheinigt wird. Diesen dicken Malus-Punkt kann Laschet allerdings wieder dadurch wettmachen, dass seiner Partei nach wie vor in den Umfragen die größte Problemlösungskompetenz zugeordnet wird.

Wenn also bis zum Wahltag kein Jahrhundertereignis mehr eintritt, das noch Einfluss auf den Wahlkampf nehmen könnte, haben die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger die Qual der Wahl: für sich selbst zu entscheiden, was ihnen bei der Stimmabgabe am wichtigsten ist. Ist es das positive Image eines Olaf Scholz bei ausgeprägter Schwäche der SPD, oder gibt die inhaltliche Schärfe des Wahlprogramms der Grünen den Ausschlag, auch wenn ihre Kandidatin ein ausgemachtes Image-Problem hat? Und schließlich Armin Laschet: kann er die Problemlösungskompetenz seiner CDU/CSU entscheidend in die Waagschale werfen und damit deren programminhaltliche Blässe sowie seine Image-Kratzer überdecken? Denn darum wird es bei der Wahlentscheidung am Ende gehen.

Die Siegesaussichten der Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl 2021 im Vergleich