Von Dieter Weirich*
Für die aus der parlamentarischen Sommerpause zurückgekehrten Abgeordneten des Deutschen Bundestags liegt bei den Beratungen über den Bundeshaushalt 2025 Blei in der Luft. Der Bundesrechnungshof warnt vor einem erneuten Verfassungsbruch. Die Freidemokraten (FDP) und die Grünen in der Regierung wollen Nachbesserungen, und die dritte und größte Partei, die SPD, in der rot, gelb, grünen Regierungskoalition, auch „Ampel“ genannt, will sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen.
Markus Söder, Chef der bayerischen CSU, die mit der CDU die oppositionelle „Union“ im Bundestag bildet, spricht von der „rauchenden Ruine der Ampel“. Die Union spürt aber auch den Rauch einer abgebrannten „Brandmauer“ gegenüber den radikalen Linken und Rechten. Um eine klare Abgrenzung gegenüber der in Teilen rechtsradikalen AfD und der altkommunistischen Linken zu demonstrieren, wurde die Metapher von einer „Brandmauer“ gegenüber diesen Parteien zum beschwörenden Fanal.
Doch seit den Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen mit der zur Volkspartei aufgestiegenen rechten AfD dürfte der fragwürdige Begriff einer „Brandmauer“ zu einer von vielen Wählern getragenen Partei zu Grabe getragen werden. Immerhin wurden die etablierten Parteien an den Wahlurnen belehrt, dass ihre oft hysterische Ausgrenzung der Rechten dem rechten Rand mehr geholfen als geschadet hat.
Ironischerweise besitzt die AfD für den Begriff „Brandmauer“ selber das Urheberrecht. Erfunden hat sie ihr ehemaliger Vizechef, der Ökonom und Politiker Hans-Olaf Henkel, der sich mit der selbstkritischen Erkenntnis „er habe sich an der Kreation eines Monsters“ beteiligt, von der Partei abgewandt hat. Auch der Mitbegründer der AfD, Makroökonom Bernd Lucke, verfiel in diese Diktion.
Bei der CDU wurde der Begriff „Brandmauer“ zum Gemeingut, um jede Kooperation mit der AfD auszuschließen. Doch die totale Ausgrenzung der AfD, die Verweigerung einer ihr nach parlamentarischer Gepflogenheit zustehenden Repräsentation, wurde in der Bevölkerung als unfair empfunden. Die Ausgrenzung der Partei erlaubte es ihr, für sich eine Opfer-und Märtyrer-Rolle zu inszenieren. Gleichzeitig festigte es die Wagenburg-Mentalität.
Geradezu dümmlich war die von den etablierten Parteien und den meisten Medien jahrelang vertretene These, man müsse die Themen der AfD aus der Auseinandersetzung aussparen, um diese Partei nicht unnötig interessant zu machen. Doch das Gegenteil wurde erreicht: Die AfD kann heute für sich in Anspruch nehmen, die etablierten Parteien zu einem Kurswechsel in der Migrationspolitik gezwungen zu haben.
Wie also sollten wir künftig mit der AfD umgehen? Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hat für mich die richtige Antwort: „Kalt, aber normal“.
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*) Der renommierte Medienexperte und Kommunikationsberater Dieter Weirich (CDU) war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst „als liberalkonservativen Streiter“ sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig. Der Beitrag gibt ausschließlich den Standpunkt des Autors wieder.