von Stephan Eisel*
Zur Einordnung der Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen vom 1. September 2024 sei zunächst darauf hingewiesen, dass es in Thüringen 1,6 Mio. und in Sachsen 3,2 Mio. Wahlberechtigte gibt. Das sind nur 7,4 % der 64,9 Mio. Wahlberechtigen in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Es ist schon deshalb gewagt, aus dem Ergebnis Rückschlüsse auf ganz Deutschland zu ziehen. Außerdem ist zu beachten, dass abgesehen von Brandenburg am 22. September 2024 vor der Bundestagswahl 2025 nur noch am 1. März 2025 die Hamburger Bürgerschaft neu gewählt wird. Erfreulich ist die deutliche Zunahme der Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen auf 73,6 bzw. 74,4 Prozent. Das widerlegt erneut die oft unreflektiert verbreitete These von ständig zurück gehenden Wahlbeteiligungen. Tatsächlich unterliegt die Wahlbeteiligung im Bund und den Ländern schon immer Wellenbewegungen. Allerdings lässt sich die These nicht mehr aufrechterhalten, dass höhere Wahlbeteiligungen per se demokratische Parteien stärken und extremistische Parteien schwächen. In Thüringen und Sachsen war das Gegenteil der Fall.
Vor diesem Hintergrund brachten die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen durch die massiven Einbrüche von SPD, Grünen und FDP eine erhebliche Schwächung der demokratischen Mi]e, in der nur noch die CDU erkennbar ist. Mit einem Bundeskanzler Scholz wird die Ampel nicht aus dieser Existenzkrise kommen. Und: Die sich aus diesem Wahlergebnis ergebende Sitzverteilung in den Landesparlamenten macht eine Regierungsbildung durch Parteien der demokratischen Mitte mit eigener Mehrheit unmöglich.
Als eindeutig stärkste – man könnte auch sagen einzig verbliebene nennenswerte – Kraft der politischen Mitte steht die die CDU damit vor einem besonderen Dilemma. Dabei darf sie ihre eigenen Grundsätze nicht opfern. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen hat sie eine Kooperation mit AfD oder der Linken zu Recht ausgeschlossen.
Bei der AfD
• ist in völligem Widerspruch zum christlichen Menschenbild Hass und Spaltung das treibende Politikmotiv.• werden Nazi-Diktatur und Holocaust bewusst verharmlost.
• wird mit gezielten Tabubrüchen das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft unterlaufen.
• gibt es Kooperationen mit Rechtsextremisten aller Art, so dass die Partei vom Bundesverfassungsschutz als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft wurde und in Sachsen, Thüringen und Brandenburg als „gesichert rechtsextremistisch“ gilt. Versuche der AfD dies vor Gericht zu verhindern, sind gescheitert.
• bestimmen den Kurs Führungsfiguren wie Bjorn Höcke, der z. B. das Gedenken an die Opfer des Holocaust als „dämliche Erinnerungskultur“ bezeichnet.
• wird die europäische Einigung im Grundsatz bekämpft und eine Rückkehr zum Nationalismus angestrebt.
• wird Diktatoren wie Putin in Russland vorbehaltlos gehuldigt, die NATO abgelehnt und billiger Anti-Amerikanismus gepflegt.
Bei der LINKEN
• formuliert das Parteiprogramm unmissverständlich das Ziel der Systemveränderung zu einer „Gesellschaft des demokratischen Sozialismus“
• wird es nach wie vor abgelehnt, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen.
• sind „Kommunistische Plattform“ und „Marxistisches Forum“ einflussreiche Partei-Zusammenschlüsse.
• folgt man praktisch vorbehaltlos der Politik Putins, lehnt die NATO ab und pflegt billigen Anti-Amerikanismus.
Für Christdemokraten ist es ausgeschlossen, mit solchen Parteien Koalitionen zu schließen oder politische Projekte zu vereinbaren. Daran ändern auch bürgerliche Umgangsformen einzelner Repräsentanten nichts. Nicht der Schein ist hier entscheidend, sondern dass die Substanz mit christdemokratischen Werten unvereinbar ist.
Auch eine Kooperation mit dem „Bündnis Sarah Wagenknecht“ ist für die CDU höchst problematisch.
Das BSW ist
• eine Partei des Personenkults, die nicht nur nach einer Person benannt, sondern von ihr völlig abhängig ist. • eine Kaderpartei ohne tatsächliche innerparteiliche Demokratie, denn sie hat in Brandenburg, Sachsen und Thüringen insgesamt nur handverlesene 200 Mitglieder.
• völlig auf Putin fixiert und verlangt von der Ukraine durch Einstellung aller Waffenlieferungen eine Kapitulation vor Putins Diktatur und seinem Angriffskrieg.
• eine Partei des Anti-Amerikanismus und der grundsätzlichen Ablehnung der NATO, die ihre außen- und sicherheitspolitische Positionierung in der unzuständigen Landespolitik verankern will.
Die CDU wird ihrer Verantwortung im Umgang mit dem Wahlergebnis nur gerecht werden können, wenn sie solchen extremen Kräften nicht auch noch den Einfluss in Regierungsämtern ermöglicht. So bleibt wohl nur, dass die Parteien der demokratischen Mitte unter Führung der CDU-Minderheitsregierungen bilden.
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*) Der Autor ist promovierter Politikwissenschaftler und war viele Jahre lang enger Mitarbeiter von Helmut Kohl im Bundeskanzleramt. In Bonn ist er Vorsitzender des Vereins „Bürger für Beethoven e.V.“.