Bei Corona nicht Angst, sondern Zuversicht verbreiten – von Dieter Weirich *

„Welche Regierung die Beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren“, befand einst der auch in Regierungskunst geübte große Sohn der Stadt Frankfurt am Main, Johann Wolfgang von Goethe. Überzeugende Appelle an mehr Eigenverantwortung könnten beim Durchhalten auf der langen Hindernisstrecke der Corona-Pandemie sicherlich mehr bewirken als onkelhafte Belehrungen, ständige Angstmache und verunglückte Gags in einer als „hochprofessionell“ gelobten Krisenkommunikation. Bis ins kleinste Detail gehende Kontaktverbote, die man ohnehin nicht kontrollieren kann, befördern nur das Narrativ der Gängelung. Zugegeben, es ist nicht leicht, Menschen im Kampf gegen ein Virus, das sich weder an die Vorgaben der Politik noch an die Voraussagen der Wissenschaft hält, zu vereinen. Bis heute sieht zwar die Mehrheit der Bevölkerung, schon des eigenen Gesundheitsschutzes zuliebe, die von der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesländer getroffenen Schutzmaßnahmen ein. Doch trägt die Krisenkommunikation der Politiker und Wissenschaftler auch zum richtigen Verhalten der Gesamtbevölkerung in der Corona-Pandemie bei? Eher nein, meine ich. Eine drastische Kritik der Berliner Tourismuswerbung „Visit Berlin“ an alle Corona-Ignoranten, bei der auf einem Plakat eine ältere Frau mit Maske ihren Mittelfinger auf „alle ohne Maske“ richtet, fand sogar der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), „peinlich“. Das Material wurde denn auch prompt eingestampft. Doch die für ihren rauen Ton bekannten Hauptstädter fordern weiter auf Plakaten: “Nicht rumgurken. Maske vor die Rübe!“. Hochdeutsch: „Keine Ausflüchte. Maske vors Gesicht!“. Adolph Freiherr von Knigge, der bekannteste deutsche Ratgeber für gutes Benehmen, hätte den ruppigen Berliner Ton wohl nicht durchgehen lassen. Nicht minder unglücklich finde ich die „Besondere Helden“-Kampagne der Bundesregierung. In einem Video meditiert ein älterer Mann aus der Zukunft retrospektiv über den schicksalhaften Corona-Winter 2020, in dem er und seine Altersgenossen faul auf der Couch liegend die Ausbreitung des Corona-Virus verhinderten und so als Pandemie-Helden Leben retteten. Diese staatliche Empfehlung zur Rettung der Welt durch Liegen auf der faulen Haut hätte man auch mit einem Werbespot für das „Bedingungslose Grundeinkommen“ kombinieren können. Fragwürdig sind auch die Kampagnen von Gesundheitsminister Jens Georg Spahn (CDU), dessen Werbeetat wegen Corona mehr als verzwanzigfacht wurde, also von drei auf über 60 Millionen Euro anschwoll. Medienpolitisch bedenklich ist für mich sein Auftrag an die Internet-Plattform Google, die offiziellen Covid-19-Informationen vom Robert Koch Institut (RKI) zu priorisieren und dazu ein redaktionell gestaltetes Angebot zu verbreiten. Geschichtsvergessen und alarmistisch sind auch die Warnungen des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU). Seiner Auffassung nach stehe Deutschland vor dem härtesten Winter der Nachkriegsjahre. Offensichtlich beginnt bei ihm die deutsche Geschichte mit dem Wirtschaftswunder. Der Ton macht bekanntlich die Musik. Der Kölner Professor und Infektiologe Matthias Schrappe, lange Vize-Chef des von der Bundesregierung berufenen Sachverständigenrates für Gesundheit, warnt zu Recht vor einem „Dauer-Schockzustand“ während der Corona-Pandemie. Eine starke und gute Krisenkommunikation heißt für ihn, Licht am Ende des Tunnels aufzuzeigen, Mut zu vermitteln und glaubwürdig bessere Zeiten zu verheißen. Das sollte zumindest das Credo einer intelligenten und beruhigenden Kommunikationskampagne anlässlich der bald beginnenden Corona-Impfungen sein.

*) Der renommierte Medienexperte und Kommunikationsberater Dieter Weirich (CDU) war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst „als liberalkonservativen Streiter“ sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

Die Regierungskommunikation muss bei Corona besser werden!